Kunden zu begeistern, wird in Büchern, auf Konferenzen und in allen möglichen Veröffentlichungen als allgemeines Heilmittel für jegliche Probleme im Bereich des Kunden-Supports gepriesen. Außerdem wird behauptet, dass Begeisterung nur auf zwei Arten erreicht werden könne:
- Große Gesten, die die höchsten Erwartungen des Kunden in den Schatten stellen.
- Allgemein übliches gutes Benehmen, wie den Namen des Kunden zu benutzen und vielleicht sogar freundlich zu ihm zu sein.
Das Letztere ist im heutigen Umgang mit Kunden normal und das Erstere ist nur selten eine kostengünstige Strategie. In vielen Fällen ist es für den Kunden das Beste, wenn er sich gar nicht mit dir in Verbindung setzen muss.
Genau wie in jeder anderen zwischenmenschlichen Beziehung kann man nicht erwarten, dass gute Umgangsformen oder enorme Bemühungen ausreichen. Doch viele Firmen vertreten genau diese Meinung. Es wird Zeit, unsere Perspektive zu überdenken.
Die Definition von Begeisterung
Der Grund für dieses Missverständnis könnte die Definition des Begriffs “(Kunden-) Begeisterung” sein.
Kunden entscheiden, was sie begeistert, nicht die Unternehmen. Und wenn man sich anhand der vorliegenden Recherchen mal ansieht, was zu Begeisterung führt, kommt man zu dem Ergebnis, dass Kunden äußerst nachvollziehbare Erwartungen haben.
Berater John Goodman argumentiert schon seit Jahren, dass Firmen übertriebenen Wert auf das Übertreffen von Erwartungen durch irgendwelche gewaltigen Heldentaten legen, während die Kunden Begeisterung völlig anders definieren und nach merklich anderen Maßstäben bewerten.
Vielleicht hat das ja zu dem sich abzeichnenden Gegenargument geführt, dass Begeisterung sich nicht lohne. Und da nur 16 Prozent der Kunden angeben, während des Kundenservice begeistert gewesen zu sein, sollte das vielleicht nicht so sehr das Ziel sein, wenn man Begeisterung auf andere praktischere Arten erreichen kann.
Kunden entscheiden, was sie begeistert, nicht die Unternehmen.
Nachdem wir uns von dem Entweder-oder-Muster - einerseits der Herkules-Aktion (“Geh zum Kunden nach Hause und wasche seine Wäsche”) und andererseits dem gesunden Menschenverstand (“Sag dem Kunden nicht, dass er stinkt”) - losgesagt haben, kann Begeisterung wieder durch kreative, kosteneffiziente Gesten hervorgerufen werden, die auf vernünftige Weise Erwartungen übertreffen und einen echten Mehrwert erzielen.
In Anbetracht dieser überarbeiteten Definition müssen wir zwei lang gehegte Überzeugungen infrage stellen: Begeisterung entstehe durch einzelne Inspirationsmomente und Begeisterung zu erzeugen, sei mit großen Kosten verbunden.
Wenn du noch auf der Suche nach Inspiration für deinen Shop bist, beschäftigen wir uns in diesem Blogbeitrag mit der Frage: "Was lässt sich gut verkaufen?"
1. Begeisterung kann wiederholbar sein
Nur weil erfreuliche Momente deine Kunden überraschen, heißt das nicht, dass diese zufällig sein müssen.
Wiederholbare Begeisterung ist zweckdienlich, gerade weil sie die Chancen auf Erfolg erhöht. Strategisch gesehen ist es besser, viele Kunden ein bisschen als einen Kunden über alle Maßen zu begeistern. Ab einem gewissen Ausmaß kann man skalierbare Begeisterungsfaktoren messen, wodurch du die Gelegenheit haste, ihre Wirkung objektiv begutachten zu können.
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Margot da Cunha, ehemalige Mitarbeiterin des Wistia-Kundenteams, hat in Form einer “Eine-an-viele”-Botschaft ausprobiert, Begeisterung zu erzeugen, indem sie ein persönliches Video als E-Mail-Signatur verwendet hat. Anhand von Beobachtungen stellte sie fest, dass 87 Prozent der Leute, denen sie gemailt hatte, das Video angeklickt und oft bis zum Ende angesehen hatten.
Jetzt, ein Jahr später, haben alle Mitglieder des Wistia-Teams mit Kundenkontakt persönlich gestaltete Videosignaturen. Das interne Videoteam hat sogar eine neue Vorlage entworfen, um eine schnelle und unkomplizierte Produktion zu ermöglichen.
Strategisch gesehen ist es besser, viele Kunden ein bisschen als einen Kunden über alle Maßen zu begeistern.
Katie Morrissey, Vertriebsmitarbeiterin bei Wistia, ist aufgefallen, dass ihre Videosignatur, in der sie ein paar ihrer Hobbys und Interessen erwähnt, oft als großartiger Gesprächseinstieg mit dem Kunden dient. "Erst neulich habe ich mit jemandem darüber geredet, dass wir beide Tennis spielen. Zufälligerweise hatten wir uns auch beide beim Tennisspielen ziemlich schlimm verletzt. Schon hatten wir eine Verbindung zueinander hergestellt!" 😳
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Diese Videosignaturen sind ein einfacher, wohlüberlegter Ansatz, der funktioniert, weil er sich weitgehend an die Prinzipien hält, mit denen man Begeisterung erzeugt:
- Sie weichen von der Norm ab. E-Mail-Signaturen sind oft unfreiwillig komisch mit ihren .JPGs und Abkürzungen. Ein Video sticht genau deshalb hervor, weil die Erwartungen an Signaturen niedrig sind.
- Sie schaffen eine persönliche Verbindung. Ein Video erinnert Kunden daran, dass hinter dem E-Mail-Avatar ein Mensch steckt. Leute sind freundlicher und hilfsbereiter zu Menschen als zu “no-reply@yourbiz”.
- Sie sind eine mühelose Interaktion. Begeisterung ist ein noch größerer Vorteil, wenn die Investition in den Kunden gering ist. Zwei Mal klicken und das Video öffnet sich, läuft und stellt dem Kunden jemanden aus deiner Firma vor.
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2. Begeisterung kann Kosten senken
Es besteht das hartnäckige Vorurteil, dass Begeisterung ein kostspieliger Aufwand sein müsse und von Werten anstatt von gesundem Menschenverstand bestimmt sei. Doch Begeisterung kann messbare Ergebnisse erzeugen und in manchen Fällen sogar die Kosten durch Investition im Vorfeld reduzieren. Z.B. kannst du schon beim ersten Mal, wenn der Kunde dich kontaktiert, mehr Zeit aufwenden, um seinen Bedürfnissen gerecht zu werden.
Einer Studie von Gartner zufolge, die zum ersten Mal in The Effortless Experience veröffentlicht wurde, überschätzen die meisten Firmen die Anzahl der Probleme, die sie beim ersten Mal gelöst haben. Bei einer Umfrage bei mehr als 100 Unternehmen zur sogenannten FCR, der First Contact Resolution Rate (Problemlösungsrate bei der ersten Kontaktaufnahme), gaben diese an, dass durchschnittlich 76 Prozent der Probleme bei der ersten Kontaktaufnahme gelöst würden. Leider vermeldeten die Kunden derselben Firmen, ihre Probleme seien bei der ersten Kontaktaufnahme nur in 40 Prozent der Fälle gelöst worden - also nur halb so oft, wie die Firmen annehmen.
Firmen überschätzen die Anzahl der Probleme, die sie beim ersten Mal lösen, gewaltig.
Diese Diskrepanz führt zu Zeitverschwendung und unzufriedenen Kunden. Genauso wichtig ist vielleicht auch, dass Kunden nicht in Touchpoints oder Tickets denken, sondern einfach nur ihren Pulli in der richtigen Größe haben wollen und den, der nicht passt, ganz einfach zurückschicken wollen. Kunden denken in Resultaten.
Die Diskrepanz lässt sich aus der Welt schaffen, indem man sich in die Kunden hineinversetzt und ihre Fragen als ganzheitliches Ereignis sieht. Der Kunde musste auf dem Weg zu seinem ursprünglichen Ziel um Hilfe bitten. Wenn du sein aktuelles Problem löst, wo will der Kunde als Nächstes hin? Was musst du tun? Könntest du diesen Schritt erkennen und den Kunden vielleicht unterstützen, ehe er darum bittet?
Nick Toman nennt das Next Issue Avoidance (Vermeidung des nächsten Problems). Es ist ein Begeisterungsfaktor, der Zeit und Aufwand gegen weniger Kundenkontakte und erhöhte Kundenzufriedenheit eintauscht.
Oben siehst du eine E-Mail von Warby Parker, die dieses Prinzip in höchstem Maße vermittelt. Es werden mehrere Möglichkeiten angeboten, wie die Brille zurückgesandt werden kann, einschließlich präventiver Antworten auf häufig gestellte Fragen über den Rücksendevorgang. Man braucht keine abklärenden Zusatzfragen zu stellen, weil die nächsten Schritte bereits erklärt werden.
Im Gespräch mit Kunden wirst du bald erkennen, welche die häufigsten Folgefragen bei bestimmten Problemen sind. Und wenn du dir den Schritt notierst, bei dem sich die Kunden immer wieder gezwungen sehen, um Hilfe zu bitten, kannst du die Hauptursache bestimmen und das Problem insgesamt beheben.
Der Wert von Begeisterung
Es stimmt natürlich, dass Begeisterung allein nur äußerst selten den Löwenanteil des Mehrwerts erzeugt. Produkte müssen zuerst einmal die Versprechen, die im Marketing-Material gemacht werden, erfüllen, und Kundenbetreuung sollte zunächst einmal darauf abzielen, Probleme auf ein Minimum zu beschränken und Erwartungen zu erfüllen, ehe man versucht, diese zu übertreffen.
Aber genau wie reizvolles Produktdesign als Wettbewerbsvorteil eingesetzt werden kann, so kann auch begeisternde Kundenbetreuung einen Mehrwert schaffen, der aus Analysen und Tabellen nicht ganz ersichtlich wird. Schließlich führen neutrale Erfahrungen nicht zu Mund-Propaganda.
Arbeite also weiter an deiner Kundenbegeisterung, aber beachten den rechtmäßigen Stellenwert, was deine Kundenservice-Strategie angeht: Kundenbegeisterung ist nicht die Hauptspeise, sondern sie wird in kleinen überraschenden Häppchen serviert.
Geposted von Hendrik Breuer: Hendrik ist Redakteur des deutschen Shopify-Blogs. Möchtest du einen Gastbeitrag veröffentlichen? Dann lies bitte zuerst diesen Leitfaden. Hendrik erreichst du übrigens auch auf Twitter.
Dieser Artikel von Gregory Ciotti erschien ursprünglich auf Englisch im Shopify.com-Blog und wurde übersetzt von Freddie Debachy.
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